Es begann mit einem Zeitungsbericht: ... als am 24. August Dr. E. W. Starwine durch vorgetäuschten Unfall die Höchstsumme der Lebensversicherung kassierte. Er hatte sich in einen Tiefkühlsarg gelegt und war nach zwei Tagen von einem Komplizen wieder befreit worden. Als Starwine jedoch die Versicherungssumme von seiner Frau abholen und für immer verschwinden wollte, entstand ein Streit, bei dem Starwine seine Frau erschlug. Starwine...
Verdammt, dachte ich, das mach’ste auch! Bist ja nicht so blöd wie dieser Starwine. Da fiel mir gerade auf, dass der Bericht einen Druckfehler enthielt: Es war doch erst heute der 25. August. Gestern soll der Unfall mit Starwine passiert sein; doch zwei Tage danach (also morgen) wird er von seinem Komplizen befreit. Wie das? War wohl am 22. August, oder so was...
Heute, circa ein Jahr vor den olympischen Spielen in München, sitze ich hier und überlege, wie ich meine eigene Lebensversicherung kassieren kann - genau so wie Starwine?...
Zunächst, sagte ich mir, brauche ich einen falschen Personalausweis, damit hinterher mein richtiger Name unbefleckt ist. Wie komme ich an so was?...
Guten Tag, der Herr, sie wünschen?
- Zunächst gerne ein Gespräch unter vier Augen...
Ah, ich verstehe. Na kommen sie mal mit - - so, also um was handelt es sich? Soll’s vielleicht eine komplizierte Rentenversicherung sein mit allem drum und dran? – Oder nur ein gewöhnlicher Ausweis?
Richtig! Das brauche ich. Einen Ausweis. Können sie mir so etwas beschaffen, Meister?
Na, Moment mal. Da werd’ ich gleich mal nachsehen. - - - So, hier habe ich gerade noch ein Exemplar – die Zeiten sind schlecht. Ich bekomme kaum noch Ausweise von Verstorbenen rein. – Aber dieser würde ihnen ganz gut stehen.
Na ja, gut, dann machen sie den halt fertig. - Hier... hier habe ich alle Angaben aufgeschrieben, die sie brauchen. Und wann kann ich damit rechnen?
Na, sagen wir, in einer Woche hab’ ich ihn fertig.
- Bis dann also. Auf wiederseh’n.
Mit diesen Worten verließ ich den alten Trödler an der Ecke. Ich hatte ihn durch Zufall gefunden und wusste von seinen dunklen Geschäften. Ob er sein Handwerk wohl verstand? Eine Woche später ging ich also wieder hin und fragte nach dem Ausweis.
„So, hier haben wir ihn! Sehen sie sich das gute Stück ruhig genau an. Es ist ein Meisterwerk – und 380,- Mark, im Vertrauen, sind wohl nicht zu viel verlangt...
In der Tat, sehr gut gelungen! Es ist einfach nicht zu er- Moment, was ist das? Der ist ja auf den Namen E. W. Starwine ausgestellt. Woher kenne ich bloß diesen Namen? Stimmt, letzte Woche in der Zeitung stand es doch. Aber... der ist doch gar nicht tot! Sie, sagen sie, wie kommen sie zu diesem Ausweis?
Aber hören sie, das ist doch völlig belanglos. Ich hab’s wie immer gemacht: Einfach aus den Angehörigkeitspapieren des vor etwa fünf Jahren verstorbenen Starwine entfernt. Die werden doch bei der Polizei aufbewahrt und, na ja, man hat so seine Freunde... sie versteh’n.
Nichts verstehe ich. Der Starwine lebt doch noch! Habe erst letzte Woche... und überhaupt! Was denken sie sich eigentlich dabei, mir den Ausweis eines belasteten Mannes zu geben? Dieser Starwine war doch Betrüger und Mörder!
Aber keineswegs, Herr! Da müssen sie sich irren! Dr. Starwine war eine sehr anerkannte Kapazität an unserem Hochthal-Krankenhaus. Er war eine Seele von Mensch und konnte keiner Fliege was zu Leide tun.
Ja, aber...
- Nichts aber! Sie müssen sich da verlesen haben. Der Doktor lebte einsam in einer altmodischen, aber doch recht komfortablen Villa, bis er vor circa fünf Jahren durch einen – sagen wir – Betriebsunfall ums Leben kam: bei einem wissenschaftlichen Versuch, ich glaube, es ging um die Krebsforschung, impfte sich Starwine wohl ein paar Viren zu viel ein und starb daran. – Sie sehen, ich führe genau Buch über meine Klienten.
Sie sagten, der Doktor lebte einsam in seiner Villa? War er nicht verheiratet?
- Nein, er war zeitlebens Strohwitwer, ha ha ha.
Na, vielleicht habe ich mich wirklich verlesen. Schon gut. Ich nehme den Ausweis. Hier haben sie die 380,- Mark. Auf wiedersehen!
...Nun begannen meine Vorbereitungen, die ich sehr sorgfältig ausführte, damit auch ja nichts schief gehen konnte. Zunächst machte ich den Namen Starwine bekannt, indem ich fast täglich Bars aufsuchte, dort ein wenig mit hübschen Mädchen flirtete und – wie zufällig – meine Visitenkarte überreichte. Meine falsche natürlich! Dann sah ich mich nach einem zuverlässigen Komplizen um. Inzwischen beantragte ich die Erhöhung meiner Lebensversicherung auf’s Höchstmaß und überlegte, in welcher Form mein Unfall denn geschehen sollte. Und: sollte ich meine Frau einweihen? Besser nicht! Durch eine Unvorsichtigkeit könnte sie alles verraten. Auch will ich die Versicherungssumme ganz alleine haben.
Nun, inzwischen war fast ein Jahr vergangen und ich hatte endlich alles so weit. Ich nahm also das Mittel...
Am Abend kehrte meine Frau zurück vom Großeinkauf, schlug elanvoll die Tür hinter sich zu, summte ein munteres Liedchen, murmelte: Hach Gott, schon der 24. August! Da muss ich ja morgen zum Friseur!
warf ihren Einkauf auf den Küchentisch und stieß, als sie die Tür zum Wohnzimmer geöffnet hatte, einen gellenden Schrei aus, der mir durch Mark und Bein gegangen wäre, wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte.
Das Mittel, das ich genommen hatte, war hervorragend und raffiniert: Es bewirkte eine völlige Lahmlegung sämtlicher aktiver Körperfunktionen – was einem Schlaganfall gleichkam. Außerdem machte es Schmerzgefühle unwirksam, so dass man mir beispielsweise einen Arm hätte absägen können, ohne dass ich zu lächeln aufgehört hätte. Und es bewirkte auch eine gewisse Stilllegung des Herzens. Der Blutkreislauf war unterbrochen. Allerdings auf eine Weise, die ein Mensch normalerweise nur wenige Stunden überleben könnte. Damit ging ich ein Risiko ein; denn nur, wenn ich schnell genug in einen Tiefkühlsarg kam, konnte ich überleben. Zwei Dinge jedoch hatte das Mittel nicht abschalten können, nämlich die beiden passiven Funktionen: Das Riechen und das Hören. Außerdem war natürlich mein Geist hellwach und ich konnte also genau die Reaktionen meiner Frau verfolgen.
Sie tat das Richtige. Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, rief sie Krankenwagen und Polizei an, versuchte mich durch Rütteln, etc. aufzuwecken und spielte verrückt. – Wahrscheinlich liebte sie mich wirklich...
Die Ärzte stellten eindeutig Schlaganfall mit sofortigem Todeseintritt fest und luden mich auch bald – etwa zwei Stunden nach Einnahme des Mittels – in einen Tiefkühlsarg. Somit war ich vorläufig gerettet. Der Rest hing noch von meinem Komplizen ab.
Danke, Kumpel. Das wäre geschafft! Hier hast du deine versprochene Belohnung
so sagte ich, nachdem mich tatsächlich mein Komplize zwei Tage nach der Einsargung heraus geholt hatte. Dann machte ich mich sofort auf den Weg zu meiner Wohnung, um die Versicherungssumme zu kassieren. Meine Frau war da, und als sie den ersten Schock hinter sich und ich ihr die ganze Geschichte mühsam erklärt hatte, wollte ich wissen, wo das Geld sei. Sie sagte es mir, wollte aber, das wir teilen, sonst würde sie mich der Polizei verraten. Da stritten wir uns, denn ich wollte alles haben. Sie gab jedoch nicht nach und da blieb mir nichts anderes übrig, als sie unschädlich zu machen. Ich überlegte nicht lange und erschlug sie. Angst vor dem Richter brauchte ich keine zu haben. Ich hatte ja ein absolutes Alibi: Ich war ja tot laut Ärztebefund!
Ich fand das Geld – eine runde Summe von 500.000,- Mark - , steckte es ein, entfernte sämtliche falschen und belastenden Papiere und nahm meine richtigen wieder an mich und verschwand dann von der Bildfläche.
Ein Fehler musste mir wohl doch unterlaufen sein. Jedenfalls fanden die Leichenbeschauhauswärter am nächsten Tag meinen Sarg leer vor und alarmierten sofort die Polizei. – Ob die mich wohl finden? Jedenfalls kaufte ich nur mal so nebenbei am 28. August eine Zeitung und da fiel mir ein Artikel besonders auf: ...als am 24. August Dr. E. W. Starwine durch vorgetäuschten Unfall die Höchstsumme der Lebensversicherung kassierte. Er hatte sich in einen Tiefkühlsarg gelegt und war nach zwei Tagen von einem Komplizen wieder befreit worden. Als Starwine jedoch die Versicherungssumme von seiner Frau abholen und für immer verschwinden wollte, entstand ein Streit, bei dem Starwine seine Frau erschlug. Starwine...
Also stimmte das Datum doch!