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Die Radtour (1971)
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In neun Tagen um die Welt
Sehr frei nach Jules Verne (passiert und notiert 1971)

Einige nicht unwesentliche persönliche Differenzen verleiteten mich dazu, mein ursprüngliches über Monate hinaus geplantes und sorgfältig vorbereitetes Unternehmen abzublasen! - Ich meine die Radtour.

Ursprünglich wollte ich ja runter zum Bodensee - nicht ohne Grund: Ich hatte Urlaub! Und den gedachte ich sinnvoll, sozusagen als Ausgleich für meine berufliche Tätigkeit (wer's noch nicht weiß: Ich bin mit Essen beschäftigt! Nein, nicht Schornsteinfeger, sondern Koch!), zu gestalten, indem ich ihn hauptsächlich zum frische Luft schnappen vergeude.

Jedoch besagte persönliche Differenzen hielten mich davon ab und so könnte meine Geschichte hier bereits enden. Nichts desto trotz überkömmt mich jedoch die Lust, zu erzählen, was weiterhin geschah...


Vorbereitungen:

Kommt gar nicht in Frage! Du fährst! sagten meine Eltern und brauchten sich gar nicht anzustrengen, ein ernstes Gesicht dabei zu machen, denn sie meinten es so.

Ich hatte Ihnen von dem Entschluss, nicht zu fahren, erzählt. Und so kam es, dass nach einer nicht sehr erbaulichen Debatte meine ewig besorgte Ma - ich glaube, es kommt nicht von ungefähr, dass mein nicht minder besorgter Pa sie manchmal Kindlmutter nennt - mir eine andere kürzere Reiseroute vorschlug.

Ich, der ich ein friedliebender Mensch zu sein behaupte, wollte nicht schon wieder zurückschlagen und nahm die Route an. Sie führt an viel Wasser vorbei - Mosel, Saar, Nahe, Rhein - und endet - zufälligerweise - genau da, wo sie beginnt, in Brauheck. - Nun wird sich natürlich manch einer fragen, wo dieses Brauheck denn liegt. Dazu möchte ich die kurze wie bezeichnende Auskunft geben: Circa tausend Meter nördlich von Dohr! Damit ist nun wohl ein jeder im Bilde...

Immer noch ziemlich widerstrebend beginne ich die Vorbereitungen: Das Fahrrad musste general-überholt werden. Ich setzte einen neuen Gepäckträger an, kaufte eine Luftpumpe und einen Rennlenker, befestigte eine neue Felgenbremse, verlegte eine neue Lichtanlage, neue Ventile und viele unnütze Kleinigkeiten mehr, schraubte und hämmerte, fluchte und hoffte, zerbrach einen Schraubenschlüssel (Knochen genannt), zertöpperte eine alte Glasschütte aus einem ausrangierten Küchenschrank, kriegte auf Anhieb auch die neu gekaufte Fahrradstütze kaputt, ölte die Kette, den Boden, meine Hände, das Hemd, setzte eine defekte Birne in die Rückleuchte ein (was mir erst Tage später zu Bewusstsein kommen sollte), montierte den Rest der ehemaligen Felgenbremse so an, dass man sie auf den ersten Blick für eine noch nicht exhumierte halten musste, brachte diverse Kinkerlitzchen an, wie zum Beispiel eine ausgediente Fahnenstange, die ich mit drei aus einem von meinem Vater vor Jahren zu einem Schreibsekretär umgebauten Klavier entnommenen Polsterscheiben aus gepresstem Filz notdürftig an meine zweite (ungenutzte, weil rückwärts zählende!) Tachometernabenverbindung anfummelte. Ebenso eine Antenne, die ich geschickt mit ihrem Spiralende in ein überflüssiges Loch an der Hinterradhalterung hineindrehte.

Weiterhin benutzte ich eine alte Uhrkette, ein Stück Draht und die Halterung eines nicht mehr vorhandenen Rückspiegels zur Herstellung einer wirksamen, wenn auch überflüssigen Gepäckträgerklappenfederungs-aufhebungsapparatur. An einem Armband, dessen Anhänger ich so raffiniert verbog, dass ich ihn an das Drahtgestell meines Gefährts klemmen konnte, ließ sich bequem das Essbesteck unterbringen, welches ich übrigens nie benutzte. Mit einem Gürtel befestigte ich mein Fernrohr. Die vollgepackte Doppeltasche brachte ich unter einiger Mühe ebenfalls an. Die Feldflasche klammerte ich kurzerhand an den Gepäckträger, Flickzeug vergaß ich auch nicht und so konnte es denn losgehen...

Zu Beginn meiner Fahrt stand der Tachometer auf 2600 Km. Am 17. September 1971, nach einer mehr oder weniger glücklichen Heimkehr steht er auf 3232 Km. Zu Beginn der Fahrt war ich desinteressiert, ausgeruht, gelangweilt, gleichgültig. Nach der Heimkehr bin ich es noch. - Aber das nur nebenbei...

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